Auszug aus Mitteldeutsche
Zeitung, Ausgabe Zeitz/Hohenmölsen, vom
Dienstag, 07. April 1992
Zeitzer Domorgel überstand das Feuer von 1429 nicht
Eine Abhandlung zur Geschichte der Orgeln
im Dom der Moritzburg zu Zeitz
Von Hans Schumann
Zeitz/MZ. Im
Jahr 967wurde auf der Synode in Ravenna der Plan gefasst, auch
in Zeitz ein Bistum zu gründen. 968 wurde der erste Bischof
eingesetzt. Dieser baute alsbald eine Kirche, die später
wechselvolle Schicksale durch machen musste. Sie wurde aber
immer wieder schöner hergestellt. Dieser Dom wird als eins
der wertvollsten Bauwerke Sachsen-Anhalts bewertet. Etliche
Einzelheiten aus seiner Geschichte sind leider noch viel zu
wenig erforscht. Dazu gehört auch die Ausstattung mit Orgeln.
Erhaltene Akten (Kollegialstift Zeitz, Signatur 0, Nr. 2)
behandeln Umbau und Erweiterung eines älteren Werkes
(entspricht fasst einem Neubau) durch Georg Koch aus Glauchau
in den Jahren 1583/84. Dieses ältere Werk kann seit etwa 1450
oder später bestanden haben, 1429 wurde der Dom durch die
Husiten in Brand
gesetzt und verwüstet, eine etwa vorher vorhanden gewesene
Orgel kann dieses Feuer nicht überstanden haben.
Ein Muster existiert
Vom
Orgelbauer existiert ein "Muster des orgellwercks Ao 83"
(das Bild ist danach entstanden) sowie weiterhin Kontrakte mit
dem Tischler Paulus Corbianus aus Halle vom 19.Juni 1584 sowie
mit Lucas Ebhart, "Mhaler und Bürger auch zu Zeitz", vom
15. Juni 1584. Aus dem mitgeteilten Muster können einige
Hinweise auf das Orgelwerk entnommen werden, die die im
Kontrakt enthaltenen Angaben, die nicht vollständig sind zur
Beschreibung des Orgelwerkes, noch ergänzen.
Heinrich Schütz in Zeitz
Das "orgellwerck
Ao 83" muß einen sehr erfreulichen Anblick dargeboten
haben, wie auch aus den Verträgen mit Schnitzer und Maler
hervorgeht. "Auswendigk" auf die Türen, mit denen der
Prospekt, daß heißt also die "im Gesicht" zur Schau
stehenden Pfeifen, verschlossen werden kann, sollen die Wappen
der Stiftsherren gemalt werden. Der Plan dazu liegt bei.
Die Türen sind hier allerdings nicht mit dargestellt.
Bei den Stiftsherren, den Kanonikern, ist zu erwähnen
"Joannes Ernestus Lutherus, Canon.", ein Enkel des
Reformators. Der begründete die Zeitzer Lutherlinie, deren
Mitglieder noch sehr lange in Zeitz lebten und wirkten.
1631 wurde
die Orgel durch Heinrich Compenius aus Halle repariert.
In den Jahren 1659 bis mindestens1666 hatte Heinrich
Schütz in Zeitz zu tun. Dabei hatte er das Amt eines
"Kapellmeisters von Haus aus" inne. Er musste nicht
ununterbrochen anwesend sein, war aber verantwortlich für die
Beschaffung von Musikern, Instrumenten und Noten sowie für
die Organisierung der Musik.
Besonders das Jahr 1663 wird genannt als wesentliches
Jahr in dieser Hinsicht. Das geschah für den Herzog Moritz.
Dieser ließ die stark zerstörte Anlage des Bischofsschlosses
nach den Verwüstungen des 30jährigen Krieges als
"Moritzburg an der Elster" wieder aufbauen. Dabei wurde
der relativ wenig beschädigte Dom umgebaut und dann als
Trinitatiskirche (Schlosskirche) wieder eingeweiht.
Kleines Orgelinstrument
Schütz ließ
an die Ecken der Vierung zwei einander gegenüber
liegende Emporen einbauen; auf die eine kam die Orgel,
und zwar mit einem etwas geänderten Gehäuse und auch mit
mehr oder weniger geänderter klanglicher Gestaltung, auf die
andere symmetrisch ein stummes Gehäuse, aber zur Unterstützung
der Chronik ein Positiv als kleines tragendes Orgelinstrument,
das auch für musikalische Veranstaltungen im Schloß
verwendet werden konnte.
An die Stelle, an der früher die Orgel gestanden
hatte, kam der "Fürstenstuhl", die Herzogsloge. Schütz
hat sich auch um die Gestaltung der Emporen bemüht, und er
hat viele Stücke extra für Zeitz komponiert. Leider sind
diese nicht mehr auffindbar.
Später kümmerte sich Wahl Friedrich Fickert, Orgel-
und Instrumentenbauer aus Zeitz, um die Orgel und führte auch
1718 eine Reparatur durch. Er hat sich vor allem durch die
Fertigung von Hämmerpantalons (in einer bestimmten Weise Vorläufer
des heutigen Klaviers) einen Namen gemacht.
Bei der Einschätzung der Maßnahmen in der Zeit von
Herzog Moritz und Heinrich Schütz muß man berücksichtigen,
daß der schreckliche Krieg mit seinen Verwüstungen und
seiner Not noch
nicht lange vorüber war, und daß außerdem die christliche
Einstellung von Herzog Moritz die rücksichtslose Ausbeutung
der Untertanen in der Art, wie sie in anderen Kleinstaaten der
damaligen Zeit üblich war, nicht zuließ.
Die Pfeifen übernommen
1849/50 wurde durch Böhme & Winter
(Zeitz, Stephansgasse) eine neue Orgel erstellt, die aber
vermutlich doch ziemlich weitgehend an die vorhergehende Orgel
angelehnt war – in der Klanggestaltung, wohl auch in der Übernahme
von Pfeifen, in der Beibehaltung des Gehäuses. Auch die alten
Blasebälge wurden wieder verwendet, allerdings neu beledert.
Im ersten Weltkrieg wurden die von außen sichtbaren
Prospektpfeifen wegen ihres Zinns eingezogen, wie das in
vielen Orgeln geschah. Seither war das Werk mit einem
schwarzen Tuch verhängt.
Später
traten Schäden durch Holzwurmbefall auf.
1934 wurde "statt der Orgel ohne Pfeifen" (also in
dem Gehäuse vom Beschauer aus gesehen links) eine
"Zungenorgel" mit zwei Manualen aus der Harmoniumfabrik
Liebig in Zeitz eingebaut. In der Nachkriegszeit nahm dieses
Gerät Schaden und man behalf sich mit einem Tretharmonium.
Sieben Register bespielbar
Nach dem Krieg hatte Orgelbauer Jandek aus Halle an der
Orgel gearbeitet und einige Pfeifen ersetzt. Letztendlich
waren aber nur noch sieben Register spielbar. 1961 baute
Lothar Heinze (Stadtilm) in beide Gehäuse eine Orgel mit drei
Manualen und Pedal mit elektrischer Traktur ein. Dabei wurde
der Prinzipalpaß aus der Böhmeorgel übernommen. Die Orgel
wurde aber schon nach kurzer Zeit beeinträchtigt, da durch
das defekte Dach Regen- und Schmelzwasser eindrangen (in
Haupt- und Brustwerk). Diese Wässer machten sich wohl auch
dadurch bemerkbar, daß sich in den Bildveröffentlichungen
der letzten Jahre an den entsprechenden Stellen des Gewölbes
dunkle Verfärbungen zeigten. Die Wassereinwirkung führte
schließlich im Juni 1982 zum Pfeiler- und Gewölbeeinsturz.
Klanggestaltung blieb erhalten
Wie man erkennt, besitzt der Zeitzer Dom nicht nur als
Bauwerk eine lange Tradition, sondern auch die Geschichte
seiner Orgeln läßt sich weit zurückverfolgen. Einiges ist
dabei zwar noch nicht vollständig erforscht, es läßt sich
aber erkennen, daß es über die Jahrhunderte von 1583/84 an,
als Georg Koch seine Orgel erstellte, bis 1961, als die Böhmeorgel
abgetragen wurde, weniger Veränderungen stattfanden, als man
zunächst vermuten könnte. Die Klanggestaltung wurde wohl
nicht grundlegend geändert, wenn vielleicht auch der
Zeitgeschmack immer wieder einmal einen etwas geänderten
Klangeindruck durch geringfügig korrigierte Disposition und
etwas geänderte Intonation anstrebte.
Namhafte Musiker
Man
sollte nicht vergessen, daß hier namhafte Musiker tätig
waren. Außer Schütz sollen hier genannt werden: Johann
Ludwig Krebs, Organist und Komponist; Domkantor Schemelli, der
im Brühl wohnte, gab ein Gesangbuch heraus, zu dem Bach
Zuarbeiten leistete; diese
Bachschen Arbeiten aus dem "Schemelli-Gesangsbuch" sind öfters
in Kirchen und Konzerten zu hören; die zweite Frau Bachs,
Anna Magdalena, wurde in Zeitz als Tochter des Trompeters
Johann Caspar Wilcken geboren, der bei der Hofkapelle
angestellt war, viel später ging er nach Weißenfels. Auch
andere Mitglieder der Hofkapelle waren namhafte Musiker.
Wir bemerken,
daß wir in dem in seinen ältesten Teilen tausendjährigen
Zeitzer Dom von einer jahrhundertelangen musikalischen
Tradition Kenntnis haben. Lassen wir diese Tradition nicht
untergehen, sondern erfüllen wir sie weiterhin mit Leben und
lassen sie auch weiterhin wirken.
"Einziger Krebs in meinem Bach"
Zeitzer
Schlossorganist Johann Ludwig Krebs, Lieblingsschüler von
Johann Sebastian Bach
Am 10.
Oktober 1713 wurde Johann Ludwig Krebs, einer bekannten
Musikerfamilie entstammend, in Buttelstedt bei Weimar geboren.
Sein Vater Johann Tobias Krebs wurde 1710 Kantor und Organist
in Buttelstedt und wanderte von dort zweimal wöchentlich die
zehn Kilometer nach Weimar, um bei I. G. Walther und bei J. S.
Bach das Klavier- und Orgelspiel zu erlernen. Seine drei Söhne
schickte Johann Tobias Krebs nach Leipzig auf die
Thomasschule.
So kam Johann Ludwig 1726 für acht Jahre als Alumnus
zu Johann Sebastian Bach. Durch seine musikalische Begabung
wurde er neben J. Chr. Altnickel und Ph. E. Bach zum
Lieblingsschüler J. S. Bachs. Er stand in einem sehr
warmherzigen Verhältnis zu seinem Lehrmeister, der ihn einmal
den "einzigen Krebs in meinem Bache" nannte. Johann Ludwig
Krebs spielte oft in Bachs Collegio musico als Cembalist und
war an der Uraufführung der Matthäuspassion beteiligt. Bach
verschaffte ihm auch die Stelle eines Musiklehrers bei Luise
Adelgunde Gottsched, der Frau des bekannten Leipziger
Literaturprofessors, die er schwärmerisch verehrte und der er
1740 ein Heft Klavierstücke widmete.
Als J. L. Krebs 1735 die Thomasschule verließ, stellte
ihm J. S. Bach ein vorzügliches Zeugnis aus, in dem es u. a.
hieß: "daß Er auf dem Clavier, Violine und Laute, wie
nicht weniger in der Composition sich also habilitiret, daß
Er sich hören zu laßen keinen Scheu haben darff. Ich wünsche
Ihme demnach Göttlichen Beystand, u. recommendire demselben
hiermit nochmaligst bestens."
Von 1735 bis 1737 studierte J. L. Krebs noch zwei Jahre
Philosophie in Leipzig, ehe er 1737 bis 1743 die
Organistenstelle an der Marienkirche in Zwickau übernahm.
Am 29.
Dezember 1743 kam er erstmals nach Zeitz zum Vorspielen und
begann Ostern 1744 sein Amt als Schlossorganist in Zeitz, wo
als Kantor Christian Friedrich Schemelli, Sohn des bekannten
Gesangbuchreformators Georg Christian Schemelli, tätig war.
Neben J. L. Krebs wirkten damals der Stadtorganist G. L.
Raden, ehemals Student in Leipzig, der Stadtkantor W. Chr.
Cramer und an der Nikolaikirche Organist Fr. Ficker. Die 1663
erbaute Orgel in der Schlosskirche besaß Mängel, auf den
Krebs wiederholt hinwies, doch konnte er, wie schon in
Zwickau, einen Neubau nicht bewirken.
In Zeitz erfuhr Krebs im Sommer 1750 vom Tode seines
geliebten Lehrmeisters J. S. Bach, doch eine Bewerbung um die
Nachfolge in Leipzig schlug fehl, denn nicht die bekannten
Musiker J. G. Görner, Ph. E. Bach noch J. L. Krebs erhielten
die Stelle, sondern der unbekanntere Gottlob Harrer. Von Zeitz
aus machte Krebs Konzertreisen, so 1753 nach Dresden, wo er am
sächsischen Hof großen Erfolg als Klavierspieler und
Orgelvirtuose hatte.
Schüler von Krebs in Zeitz waren Ch. Jahn, von 1757
bis 1783 Stadtorganist an St. Michael,
G. Ch. Günther,
sein Vertreter an der Schlosskirche und später Organist in
Querfurt,
G. N. Erhardt
aus Naumburg und Krebs Sohn Johann Gottfried.
Von Oktober 1756 bis zu seinem Tode wirkte J. L. Krebs
als Hoforganist in Altenburg. Die Trost-Orgel des Schlosses
bot dem geschickten Orgelspieler bessere Möglichkeiten sein
Talent zu entfalten.
Am 01. Januar 1780 starb Johann Ludwig Krebs, dessen
Orgelmusik und vokale Kirchenmusik einen wichtigen Beitrag zur
Musikgeschichte darstellt. Vielleicht haben wir die Möglichkeit,
das eine oder andere Stück seiner Kunst zu hören. |