Der Holzschneider Johannes Lebek
Vorwort zum Buch Der Holzschneider Johannes Lebek Leben und Wertk
Holz ist ein besonderer Stoff, unter allen Materialien dem Leben am nächsten. Er assoziiert zugleich Baum und Wald, aus dem er kommt, den Baum, der in seiner Vielfalt und Individualität Mensch und Tier vergleichbar ist. Vielfältig, der Mannigfaltigkeit seiner Beschaffenheit entsprechend, auch seine Verwendung beim Haus- und Schiffbau, bei Gefäßen und Gerätschaften, bei Bildwerken, ins Holz gehauen und geschnitten. So ist es kein Wunder, daß das Holz auch am Beginn der Graphik steht. Es mußte nur erst das Papier erfunden werden, das später auch einen Großteil seiner Existenz dem Holz verdanken sollte.
Spielkarten und Heiligenbilder waren die ersten Holzschnitte, ehe die neue Kunst des Buchdrucks sich seiner annahm und schließlich der Holzschnitt aus dem Buch, dem Flugblatt und den ersten Zeitungen nicht mehr wegzudenken war. Es waren zunächst ganz lineare Schnitte, die der mitunter groben, aber auch einer fast modern anmutenden, auf das wichtigste abstrahierenden Zeichenweise folgten.
Mit Holbein, Dürer, Burgkmair und anderen großen Künstlern erlebte der Holzschnitt seine Blüte, bis ihn der Kupferstich fast verdrängte und er schließlich, auch mit der feineren Form des Holzstichs, im 19. Jahrhundert ganz der Bildreproduktion diente. Der Jugendstil und der Expressionismus entdeckten ihn wieder, der Expressionismus in vehementer Formenführung und plakativer Flächigkeit, die fast jede Buchform sprengte. Aber mit dem Jugendstil hatte er auch wieder Eingang ins Buch gefunden, wurde er wieder Ausdruck und Begleitung des Erzählerischen. Auch dies eine Anknüpfung an die hohe Kunst des Buchholzschnittes im 15. Jahrhundert, wie z. B. bei Max Unold und auch bei Frans Masereel, zumindest in dessen Illustrationen zum "Ulenspiegel" von Charles de Coster.
Betrachten wir das Holzschnittwerk von Johannes Lebek, so ist er mit Masereel einer der großen erzählerischen Holzschneider unseres Jahrhunderts. Die plakative Aggressivität des expressionistischen Holzschnittes entsprach nicht seinem Wesen. Auch zum linearen
Holzschnitt der Frühdruckzeit führt von ihm nur eine schmale Brücke. Er verband stets Flächiges mit Linearem und setzte es für seine bildhafte Erzählkunst ein. Denn Johannes Lebek ist vor allem Erzähler, kein sozialkritischer Beobachter, was sich aus seinem sozialen Standort erklären läßt. Die frühen Holzschnittfolgen "Arbeiterleben" und " Lehrling", sowie die Bücher "Meine Eltern" und "Häuser der Kindheit" sind Berichte aus seinem Leben. Mit ihnen stellt er sich in die Reihe der zeitgenössischen Künstler, die die gesellschaftlichen Zustände der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts gestalten. Er unterscheidet sich von ihnen, da seine Betrachtung aus der Mitte dieses Lebensbereiches kommt, in dem er aufgewachsen ist, dessen ganze Härte er erfahren und durchlebt hat. Er entschärft durch seine Menschlichkeit, die von der Liebe zu dieser seiner Welt getragen ist und bei aller Not doch eine gewisse Heiterkeit nicht verloren hat. Davon zeugen auch die Illustrationen zu Büchern aus einer mit der Natur verbundenen bäuerlichen Welt, wie jene zu den Werken des Schweizers Jeremias Gotthelf und zu des Polen Wladyslaw Stanislaw Reymonts großem Roman "Die Bauern".
Zu seiner Beobachtungsgabe, die die Dinge sah, wie sie waren, tritt noch eine Frömmigkeit, die einfach dem Wunder der Schöpfung galt und dem Leben. Das konnte sicher nur ein Mensch empfinden, dem im Leben nichts geschenkt war und der gerade darum vom Dasein-Dürfen und von der Natur ergriffen war. Wieviel von einer Natur" die man heute erst wieder entdeckt, da man sie vor der Zerstörung schützen muß, steckt doch in seinen Holzschnitten zu "Vom Baum, der den Frühling nicht erlebte", "Der Bach vor meinem Haus", "Wiedersehen
mit einer Landschaft" oder "Der Teich". Noch in seinen letzten Lebensjahren fühlte er sich immer wieder hingezogen, Landschaften festzuhalten, wie die Wälder des Allgäus mit seinen lichten Höhen, über denen nur noch ein unendlicher Himmel ist.
Der als Tischler-Lehrling begann und auf der Wanderschaft seiner Jugendjahre mit Vorliebe die Waldlandschaften, etwa der Steiermark, aufsuchte, für ihn war das Holz ein lebendiger Stoff, in dem die Ewigkeit atmete. Ihm nahte er mit dem Stichel oder Schneidemesser und grub ihm die Bilder ein, die ihm zuströmten aus seinem eigenen Leben und aus den Büchern, die er las. Ihm konnte er mit sicherer Hand die Lichter und Schatten seiner Erzählung abgewinnen, die feinen Linien und kräftigen Konturen. Seine Holzschnitte geben die Stille und Ergriffenheit wieder, die ihm eigen war, seine Heiterkeit und Güte. Man hat den Eindruck, daß er immer dankbar war, daß er leben, daß er schaffen durfte. In dieser Haltung ist er einzigartig unter den Holzschneidern unserer Zeit: ein großer bilderschaffender Erzähler seiner Welt und einer Natur, wie wir sie auch Künftigen bewahrt sehen möchten.
Curt Visel

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Holzschneider Johannes Lebek
Biographische Daten
1901 | am 21. Januar in Zeitz geboren |
1911 | Tod des Vaters |
1915-17 | Tischlerlehre, dann als Tischler tätig |
1920-22 | nebenberuflich Schüler im Malen und Zeichnen bei |
| Hofrat Anton Klamroth in Leipzig |
1923-24 | Wanderschaft durch Österreich |
1925 | Fortsetzung des Unterrichts bei Anton Klamroth |
1926 | Erste Beteiligung an einer Ausstellung des |
| Ostthüringer Künstlerbundes |
1931-34 | Besuch der Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe, Leipzig. |
| Meisterschüler von Hans Alexander Müller im Holzschnitt. |
| Schüler von Hans Soltmann, Anatomie und anatomisches Zeichnen; |
| Bruno He'roux, Aktzeichnen und Alois Kolb, Radieren |
bis 1939 | freischaffend in Zeitz |
1939-45 | technisch-perspektivischer Zeichner bei den Junkers Flugzeugwerken |
| in Dessau |
1945 | Einberufung zum Militär |
1945-46 | amerikanische Kriegsgefangenschaft |
bis 1953 | freischaffend in Zeitz |
1954-58 | Leiter der Holzschnittabteilung an der Hochschule für Grafik und |
| Buchkunst in Leipzig |
1953 | Gründungsmitglied der Internationalen Holzschneidervereinigung |
| XYLON, Sitz Zürich |
ab 1958 | freischaffend |
1969 | Übersiedlung in die Bundesrepublik nach Adelebsen bei Göttingen |
1985 | am 8. Oktober in Adelebsen gestorben |
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Text-Quelle: aus dem Buch „Der Holzschneider Johannes Lebek Leben und Werk“
1988 by Rudolf Schneider Verlag, München 60
ISBN 3-7955-0194-6
Weitere Informationen finden Sie im Internet unter der neuen Website über Herrn Holzschneider Johannes Lebek. Zur Dokumentation:
www.johanneslebek.de
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